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„Ihre Lieblichkeit verdankt die Landschaft einer gewaltigen Materialverschiebung, Gletscher, Felsen, Masse, die es bis hierher gebracht hat, unweigerlich unter einem Lärmen, das weit über das Grollen eines Rombo hinausgeht.“

Aus: Esther Kinsky, Rombo, Suhrkamp (2022), S.11
Foto: © Michael Dohle, Fotografie (2022)

„... der Schlaf eines Jungen, der getötet worden ist, ist aus. Für ihn Zigarette, Abend, Straße, Katze ist vorbei. Er wird mit einem Pferd in mir herumlaufen, vielleicht gegen Morgen an einen Fluss kommen.“

Özdamar, Emine Sevgi, Ein von Schatten begrenzter Raum. Suhrkamp (2021) S.487
Foto: © Michael Dohle, Fotografie (2022)

„Nebenlied

Der Zug rollt an. Ich fuhr dir nach.
Vielleicht find ich dich heute noch.
Vielleicht verlöscht mein Glutgesicht.
Vielleicht sprichst du dann leis zu mir:

Das Wasser plätschert. Wasche dich.
Hier hängt das Handtuch. Trockne dich.
Hier zischt am Herd das Fleisch im Fett.
Hier wo ich liege ist dein Bett.“

Zitat: Jozséf Attila aus Ode (Német, 1933) übersetzt v. Franz Fühmann, Quelle: magyarulbabelben.net v.1.5.23
© Michael Dohle, Fotografie (2022)

Bei Ulrich Koch finde ich:
„Sag Vater, er kann aus dem Schrank kommen.“

Aus: Koch, Ulrich, Gedichte. Jung und Jung (2022). S. 61
© Michael Dohle, Fotografie (2022)

„Es wird schwer sein,
hier wieder rauszukommen,
sagt die Seele zu sich selbst.“

Aus: Koch, Ulrich, Gedichte. Jung und Jung (2022). S. 103
© Michael Dohle, Fotografie (2022)

„und plötzlich öffnet sich unter den Füßen ein Abgrund des Schweigens wie ein Himmel, der auf dem Kopf steht.“

Text aus: Mohamed Mbougar Sarr, Die geheimste Erinnerung der Menschen. Hanser (2022), S.35
Fotografie links: © Malev Toom (1990); rechts: Malev Toom, fotografiert von mir (1990)

Das Schaf
Es fragte mich ein Schaf, was ich
Wolle

Autor: Stählin, Christof. Quelle: private Mail. (Mit Zustimmung des Nachlassverwalters 2022)

„Das Dasein ist ja doch sehr interessant
und unbegreiflich schön; wenn nur das schnöde Hier-
sein nicht wäre.“

Aus: Thomas Kapielski, Mischwald. Suhrkamp (2009), S.121
Foto: © Michael Dohle, Fotografie (2011)

„Impression

Stock, was hat ihnen so
die Hüften verdreht, Schenkel verbogen, Füße
einwärts gerückt die Eigenlast, heillose Rast

im Heim wie im Klima wie Hügel
Glucken und Hocken, Gucken und Bocken
um Tisch Herd und Stühle sich drücken
daheim krümmte das Bein“

Aus: Erb, Elke, Mensch sein nicht. Urs Engeler Editor (1999) S.44, © ok 3.6.23
Foto: © Michael Dohle, Fotografie (2022)

„Die Stelle ist noch warm, wo sie stand.“

Aus: Koch, Ulrich, Gedichte. Jung und Jung (2022). S. 40
Foto: © Britta Isenrath, Fotografie (2022). www.isenrath.de/refuse v.1.5.23

„Wunsch, Indianer zu werden
Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf.“

Aus: Kafka, Franz, Betrachtung, Kinder auf der Landstraße. S.Fischer (1970/1983), S. 18
Foto: © Michael Dohle, Fotografie (2018)

„Auf seiner Himmelsreise besichtigt Henoch
ein komfortables Gefängnis für gefallene Engel.
Wie kam es zum Fall?“

Aus: Thomas Kapielski, Mischwald (2009), S.14
Foto: © Michael Dohle, Fotomontage (2013)

Erinnerung - ein Rauschen, aus dem sich ein Klang, eine Farbe, ein Geruch oder ein scharfes Bild löst und länger leuchtet.

Text und Bild: © Michael Dohle, Fotografie (2022)

In seinem Sommertagebuch schreibt Mohamed Mbougar Sarr über einen großen verschollenen Roman. Solche Romane „nehmen das Überflüssige von uns; ihre Lektüre macht einen stets bedürftig.“

Aus: Sarr, Mohamed Mbougar, Die geheimste Erinnerung des Menschen. Hanser (2022) S.43
Bild: Polixeni Papapetrou, The Troubadour, 2014, www.polixenipapapetrou.net v.3.5.23

„Habe heute bei Bill Viola eine Frau gesehen, die sich vom schlaflosen Publikum bestaunen ließ, als wäre sie ein umgekipptes Schaf. Alle paar Minuten ging das Licht aus, und ihre Sorgen wurden / an die Wand projiziert: erst ein Wald, in dem man vor lauter Bäumen die Ferne nicht mehr sah: wer wäre man, wenn nie mehr ein Horizont käme?“

Aus: Rijneveld, Marieke Lucas, Kalbskummer Phantomstute, Gedichte. Suhrkamp (2022) S.25
Foto: © Michael Dohle, Fotomontage (2020)